Ein Spermiogramm ist für viele Paare der erste klare Schritt, wenn der Kinderwunsch auf sich warten lässt. Die moderne Auswertung nach WHO-Standard erfolgt heute digital und zeigt schwarz auf weiß, ob Konzentration, Beweglichkeit und Form der Spermien ausreichen, um eine Eizelle zu befruchten. Dieser Leitfaden erklärt den Ablauf, die Kosten, die aktuellen WHO-Normalwerte und welche Maßnahmen nachweislich die Qualität des Ejakulats verbessern können.
Was ist ein Spermiogramm?
Ein Spermiogramm ist eine Laboruntersuchung, die die männliche Fruchtbarkeit beurteilt. Erfasst werden:
- Spermienkonzentration – Spermien pro Milliliter Ejakulat
- Motilität – Anteil beweglicher beziehungsweise progressiv beweglicher Spermien
- Morphologie – Prozentsatz normal geformter Spermien
- Ejakulatvolumen – Gesamtmenge der Samenflüssigkeit
- Vitalität – Anteil lebender Spermien, zeigt Zellintegrität
- pH-Wert – Hinweise auf Entzündungen oder Verschiebungen im Säure-Basen-Haushalt
- Leukozyten – erhöhte Werte deuten auf Infektionen hin
Diese Parameter liefern eine zuverlässige Einschätzung, ob eine natürliche Befruchtung aussichtsreich ist.
Wann ist ein Spermiogramm sinnvoll?
Leitlinien empfehlen eine Spermienanalyse, wenn nach zwölf Monaten regelmäßigen, ungeschützten Geschlechtsverkehrs keine Schwangerschaft eintritt. Die EAU-Leitlinie 2025: Male Infertility empfiehlt bei Risikofaktoren sogar einen früheren Test.
- Primäre oder sekundäre Infertilität
- Auffällige Hormonwerte
- Kontrolle vor oder nach Vasektomie
- Wiederholte Fehlgeburten
- Operationen oder Bestrahlung im Beckenbereich
Früh testen lassen solltest du außerdem bei Varikozele, Hodenhochstand in der Kindheit oder nach Chemo- beziehungsweise Strahlentherapie.
Spermiogramm – Kosten und Erstattung
In Deutschland kostet ein Spermiogramm meist zwischen 60 und 90 Euro. Liegt ein medizinischer Grund vor, übernehmen gesetzliche Krankenkassen die Untersuchung. Viele Kinderwunschzentren bieten ein Paket, in dem ein zweites Spermiogramm bereits enthalten ist. Privatversicherte sollten die Kostenübernahme vorab klären.
Spermiogramm Ablauf: Vorbereitung und Probenentnahme
Vorbereitung:
- Drei bis fünf Tage sexuelle Enthaltsamkeit
- Kein Alkohol, Nikotin oder Drogen in den letzten 48 Stunden
- Kein Fieber, schwere Infekte oder lange Saunagänge
- Ausreichend Schlaf und möglichst wenig Stress
Probenentnahme:
- Hände und Penis nur mit Wasser und Seife reinigen
- Kein Gleitmittel oder Kondome mit Silikonöl verwenden, da sie Ergebnisse verfälschen
- Das gesamte Ejakulat in das sterile Laborgefäß auffangen
Gewinnst du die Probe zu Hause, halte sie körperwarm (etwa 37 °C) und bringe sie innerhalb von 60 Minuten ins Labor.
Spermiogramm-Normalwerte laut WHO 2021
Die Weltgesundheitsorganisation legt in ihrem WHO-Laborhandbuch zur Samenanalyse (6. Auflage, 2021) folgende Mindestwerte fest:
- Ejakulatvolumen: mindestens 1,5 ml
- Spermienkonzentration: mindestens 15 Mio. pro ml
- Gesamtzahl: mindestens 39 Mio. pro Ejakulat
- Gesamtmotilität: mindestens 40 % beweglich
- Progressive Motilität: mindestens 32 % zielgerichtet beweglich
- Morphologie: mindestens 4 % normal geformt
- Vitalität: mindestens 58 % lebend
- pH-Wert: 7,2 oder höher
Werte unterhalb dieser Schwellen kennzeichnen eine Einschränkung, bedeuten jedoch nicht automatisch Unfruchtbarkeit.
Laborqualität: Darauf solltest du achten
Die Aussagekraft eines Spermiogramms steht und fällt mit der Qualität des Labors. Achte auf eine Akkreditierung nach DIN EN ISO 15189, Teilnahme an externen Ringversuchen wie QuaDeGA und strikt eingehaltene WHO-Protokolle. Idealerweise werten zwei Fachkräfte die Probe unabhängig voneinander aus, um Beobachterfehler zu minimieren.
Spermiogramm Dauer und Ergebnisbesprechung
Die mikroskopische Analyse dauert 60 bis 120 Minuten. Der schriftliche Befund liegt nach zwei bis vier Werktagen vor; viele Labore stellen ihn über ein passwortgeschütztes Online-Portal bereit und besprechen ihn anschließend in Ruhe mit dir.
Auswertung: Bedeutung abweichender Werte
- Oligozoospermie – zu wenige Spermien
- Asthenozoospermie – eingeschränkte Beweglichkeit
- Teratozoospermie – auffällige Morphologie
- Kryptozoospermie – extrem niedrige Konzentration
- Azoospermie – keine Spermien nachweisbar
Um natürliche Schwankungen auszuschließen, werden meist zwei Spermiogramme im Abstand von sechs Wochen empfohlen.
Typische Ursachen für schlechte Spermienqualität
- Hormonstörungen (Testosteron, FSH, LH, Prolaktin)
- Genetische Anomalien, etwa Klinefelter-Syndrom
- Infektionen wie Chlamydien oder Mumps-Orchitis
- Lebensstil: Rauchen, Alkohol, Übergewicht, Dauerstress
- Umwelteinflüsse: Hitze, Pestizide, Weichmacher, Mikroplastik
Auch Fieber oder bestimmte Medikamente können die Ergebnisse vorübergehend verschlechtern.
Spermiogramm verbessern: Sechs praxisnahe Tipps
- Ernährung: Antioxidantien (Vitamin C, E, Zink), Omega-3, viel Obst und Gemüse
- Sport: Regelmäßige moderate Bewegung, keine exzessive Hitze wie lange Radstrecken oder Sauna
- Nikotin und Alkohol reduzieren: Schadstoffe meiden
- Stress senken: Meditation, Yoga oder Atemübungen
- Hoden kühl halten: Locker sitzende Unterwäsche, Laptop nicht direkt auf dem Schoß
- Supplemente: Coenzym Q10 oder L-Carnitin können hilfreich sein, ihre Wirksamkeit ist jedoch umstritten – bitte vorher ärztlich beraten lassen
Eine systematische Übersicht (Nagy et al., 2021) bestätigt den positiven Einfluss von Lifestyle-Interventionen auf Spermienzahl und Beweglichkeit.
Weiterführende Diagnostik und Kinderwunschbehandlungen
Bei stark auffälligen Ergebnissen empfehlen Fachärzte zusätzliche Tests:
- Umfangreiche Hormonanalyse
- Genetische Diagnostik (Karyogramm, Y-Deletionstest)
- Ultraschall von Hoden und Nebenhoden
- DNA-Fragmentationstest
- Operative Spermiengewinnung (TESE oder MESA) bei Azoospermie
Ist eine natürliche Befruchtung unwahrscheinlich, können Verfahren wie In-vitro-Fertilisation (IVF) oder Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) den Kinderwunsch dennoch erfüllen.
Normales Spermiogramm – was nun?
Ein unauffälliger Befund schließt männliche Ursachen weitgehend aus. Bleibt die Schwangerschaft trotzdem aus, sollten bei der Partnerin Zyklusdiagnostik, Hormonstatus oder ein Postkoitaltest durchgeführt werden. Ein Termin im Kinderwunschzentrum klärt die nächsten Schritte.
Fazit
Ein Spermiogramm zeigt präzise, wie es um die männliche Fruchtbarkeit steht. Abweichungen lassen sich oft durch Lebensstiländerungen, gezielte Therapien und moderne Reproduktionsmedizin ausgleichen. Liegen die Werte im Normbereich, lohnt sich der ganzheitliche Blick auf beide Partner – denn Fruchtbarkeit ist Teamarbeit. So gehst du bestens informiert in das Gespräch mit deiner Ärztin oder deinem Arzt.