Präimplantationsdiagnostik: Hoffnung auf ein gesundes Kind?

Bild des AutorsVerfasst von Philomena Marx06. Januar 2025
Symbolbild zur Präimplantationsdiagnostik

Die Präimplantationsdiagnostik ist ein Verfahren zur genetischen Untersuchung von Embryonen, bevor sie in die Gebärmutter eingesetzt werden. Sie kann das Risiko für schwere Erbkrankheiten und wiederholte Fehlgeburten senken und bietet betroffenen Paaren eine zusätzliche Chance, ein gesundes Kind zu bekommen. Da in Deutschland jedoch strenge Gesetze und Verordnungen gelten, ist eine umfassende Prüfung durch medizinische Fachleute und Ethikkommissionen erforderlich.

Vom Labor zur Gebärmutter: Wie die künstliche Befruchtung abläuft

Um einen Embryo außerhalb des Körpers entwickeln zu können, ist eine künstliche Befruchtung notwendig. Häufig erfolgt dies über eine In-vitro-Fertilisation oder eine Intrazytoplasmatische Spermieninjektion. Beide Methoden sind komplex und umfassen mehrere Schritte:

  • Hormonelle Stimulation der Eierstöcke: Die Frau erhält Medikamente, damit mehrere Eizellen gleichzeitig heranreifen.
  • Entnahme der Eizellen: Sobald diese ausreichend entwickelt sind, werden sie in einem kurzen Eingriff aus den Eierstöcken gewonnen.
  • Befruchtung im Labor: Die Eizellen werden entweder in einer Nährlösung mit Samenzellen zusammengebracht oder eine Samenzelle wird direkt in die Eizelle injiziert.
  • Genetische Untersuchung: Entwickelt sich ein Embryo, werden ihm an einem definierten Tag (häufig dem vierten oder fünften Tag nach der Befruchtung) einige Zellen entnommen, um Erbkrankheiten oder Chromosomenanomalien zu erkennen.
  • Übertragung in die Gebärmutter: Embryonen ohne Auffälligkeiten werden eingesetzt, während betroffene Embryonen nicht weiterentwickelt werden.

Dieses Verfahren ist sowohl körperlich als auch seelisch anspruchsvoll. Auch nach einem erfolgreichen Embryotransfer kann eine zusätzliche vorgeburtliche Untersuchung, etwa eine Fruchtwasseranalyse, sinnvoll sein, um mögliche Fehldiagnosen auszuschließen.

Deutsche Gesetzgebung: Was ist erlaubt, was ist verboten?

In Deutschland wird die Präimplantationsdiagnostik durch das Embryonenschutzgesetz und eine spezielle Verordnung geregelt, die 2014 in Kraft trat. Sie ist nur zulässig, wenn eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für schwerwiegende Erbkrankheiten oder für Fehl- beziehungsweise Totgeburten besteht.

Nur zugelassene Zentren dürfen diese Diagnostik durchführen. Dabei müssen die Einrichtungen eine besondere Genehmigung besitzen und umfangreiche Kriterien erfüllen. Außerdem sind die Landesärztekammern verpflichtet, Ethikkommissionen einzusetzen, die jeden Einzelfall genau prüfen. Erst nach einer positiven Entscheidung dieser Kommission kann die Untersuchung stattfinden.

Ethische Zwickmühlen: Zwischen Selektion und Menschenwürde

Die Möglichkeit, Embryonen genetisch zu untersuchen und bei auffälligen Befunden nicht weiterzuentwickeln, ist ethisch umstritten. Einige Kritikerinnen und Kritiker befürchten, dass dies zur Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung führen könnte. Andere sehen die Gefahr, dass zukünftig nicht nur Krankheiten ausgeschlossen, sondern auch bestimmte Merkmale „designed“ werden könnten.

Auch die Frage, ab wann ein Embryo als schützenswertes menschliches Leben gilt, steht im Mittelpunkt. Diese Debatten gehen weit über die medizinische Ebene hinaus und berühren fundamentale gesellschaftliche und moralische Werte.

Die Ethikkommissionen: Wer entscheidet und nach welchen Kriterien?

In den Ethikkommissionen sitzen Fachleute aus der Medizin, dem Recht, der Ethik sowie Vertretende von Patienten- und Selbsthilfeorganisationen. Sie sollen eine faire und ausgewogene Beurteilung ermöglichen, bei der sowohl medizinisch-wissenschaftliche als auch soziale und moralische Aspekte berücksichtigt werden.

Unter anderem bewertet die Kommission:

  • Das Risiko für schwere Erkrankungen des Embryos und mögliche Folgen für die Mutter.
  • Die Schwere des potenziellen Krankheitsbildes.
  • Die Dokumentation und Ausführlichkeit der Beratung, die dem Paar zuteilwurde.

Somit fungieren die Ethikkommissionen als Kontrollinstanz, die sicherstellen soll, dass Präimplantationsdiagnostik nur in gerechtfertigten Ausnahmefällen zum Einsatz kommt.

Föderales Flickwerk: Zuständigkeiten in den Bundesländern

Die Organisation der Ethikkommissionen obliegt den Bundesländern. In manchen Regionen haben sich mehrere Länder zu einer gemeinsamen Kommission zusammengeschlossen, wie zum Beispiel Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen. Andere Länder, darunter Bayern, verfügen über eine eigene Einrichtung mit Sitz in München.

In Sachsen-Anhalt fehlte hingegen lange Zeit eine solche Kommission. Deshalb mussten betroffene Paare zeitweise auf Kommissionen in Nachbarländern ausweichen. Informationen zu Ansprechpartnern und Kontaktdaten sind in der Regel bei den jeweiligen Landesärztekammern erhältlich.

Kostencheck: Was zahlt die Kasse, was bleibt am Paar hängen?

Die Kombination aus künstlicher Befruchtung und genetischer Untersuchung ist kostenintensiv. Allein die Antragsprüfung durch die Ethikkommission kann 1.500 bis 4.000 Euro betragen. Für Hormonstimulation, Eizellentnahme und Laboruntersuchung sind oft weitere mehrere tausend Euro einzuplanen, sodass die Gesamtkosten schnell auf etwa 10.000 Euro steigen können.

Ob und in welcher Höhe gesetzliche Krankenkassen Kosten übernehmen, richtet sich häufig danach, ob zusätzlich eine behandlungsbedürftige Fruchtbarkeitsstörung vorliegt. Private Versicherungen bieten mitunter andere Leistungsrahmen. Paare sollten daher frühzeitig Kontakt zu ihrer jeweiligen Versicherung aufnehmen und klären, welche Kosten übernommen werden.

Erfolgschancen und Risiken: Was Paare wissen sollten

Die medizinischen Verfahren und die genetische Untersuchung sind körperlich und emotional belastend. Die hormonelle Stimulation kann Nebenwirkungen verursachen, und selbst bei optimalen Bedingungen gibt es keine Garantie auf eine Schwangerschaft. Die Geburtenrate pro Eizellentnahme liegt laut europäischen Zahlen im Durchschnitt bei etwa 19 Prozent, variiert jedoch stark in Abhängigkeit von individuellen Faktoren wie Alter und Vorerkrankungen.

Fachkräfte in zugelassenen Zentren arbeiten daran, Komplikationen möglichst gering zu halten. Ein interdisziplinäres Team aus Reproduktionsmedizin, Gynäkologie, Humangenetik und Psychologie betreut die Paare, um eine ganzheitliche Behandlung zu ermöglichen.

Erfahrungsberichte: Wenn Hoffnung und Belastung aufeinandertreffen

Paare, die sich für die Präimplantationsdiagnostik entscheiden, berichten häufig von einer emotionalen Achterbahnfahrt. Während einige nach dem ersten Versuch ein gesundes Kind erwarten können, benötigen andere mehrere Versuche und erleben dabei wiederholt Ängste und Enttäuschungen.

„Nach zwei Fehlgeburten haben wir uns für die Präimplantationsdiagnostik entschieden. Es war ein harter Weg, aber am Ende durften wir ein gesundes Kind in unseren Armen halten. Dafür sind wir enorm dankbar.“
–Anna und Thomas M.

Solche Berichte zeigen, wie sehr die Entscheidung von persönlichen Faktoren abhängt und dass sie oft eine intensive Auseinandersetzung mit eigenen Ängsten, Hoffnungen und Werten voraussetzt.

Neue technische Möglichkeiten: Welche Technik kommt als Nächstes?

Die Präimplantationsdiagnostik entwickelt sich rasant weiter. Moderne Verfahren zur Analyse des Erbguts, etwa das vollständige Durchsequenzieren (Next-Generation-Sequencing), ermöglichen immer genauere Ergebnisse und könnten die Erfolgsrate in Zukunft erhöhen. Gleichzeitig lassen sich mögliche diagnostische Fehler weiter reduzieren.

Jede technische Neuerung wirft jedoch auch neue ethische Fragen auf: Wo liegen die Grenzen zwischen medizinisch indizierten Untersuchungen und der bewussten Selektion nach Wunschmerkmalen? Es ist absehbar, dass sich Gesetzgebung und gesellschaftliche Diskussionen an diese Entwicklungen anpassen werden.

Fazit: Zwischen medizinischem Fortschritt und Verantwortung

Obwohl die Präimplantationsdiagnostik Paaren mit hohem Risikoprofil neue Perspektiven eröffnet, ist sie mit erheblichen Kosten, körperlichen Belastungen und ethischen Fragen verbunden. Letztlich sollte jede Entscheidung auf individueller Beratung und einem sorgfältigen Abwägen von Chancen und Risiken beruhen, damit sich betroffene Paare für den für sie richtigen Weg entscheiden können.