Weibliche Unfruchtbarkeit: Ursachen, Diagnostik und Therapie

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geschrieben von Philomena Marx10. Juni 2025
Untersuchung einer Patientin in einer Kinderwunschklinik

Infertilität bezeichnet das Ausbleiben einer Schwangerschaft trotz regelmäßig ungeschütztem Geschlechtsverkehr über 12 Monate. Etwa 15 % aller Paare weltweit sind betroffen – in rund der Hälfte der Fälle liegt eine Ursache bei der Frau.

Definition: Primäre vs. sekundäre Infertilität

Primäre Infertilität liegt vor, wenn noch nie eine Schwangerschaft eingetreten ist.
Sekundäre Infertilität beschreibt den unerfüllten Kinderwunsch trotz vorheriger Schwangerschaft(en).

Hauptursachen

Die Ursachen lassen sich in hormonelle, anatomische, genetische und umweltbedingte Faktoren gliedern.

1. Polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS)

PCOS betrifft 6–10 % der Frauen im gebärfähigen Alter. Eine Insulinresistenz und erhöhte Androgenspiegel führen zu unregelmäßigen oder fehlenden Eisprüngen.

  • Diagnose: Rotterdam-Kriterien – unregelmäßige Zyklen, Hyperandrogenämie, polyzystische Ovarien im Ultraschall.
  • Therapie:
    • Gewichtsreduktion um 5–10 % senkt Androgene messbar.
    • Metformin verbessert insulinresistente Zyklen.
    • Letrozol erhöht die Lebendgeburtenrate (27,5 % vs. 19,1 % mit Clomifen; Legro et al. 2014).

2. Ovulationsstörungen ohne PCOS

Störungen der Schilddrüse (Hypo- oder Hyperthyreose) und Hyperprolaktinämie können den Eisprung verhindern.

  • Diagnostik (Zyklustag 2–5): TSH, fT3/fT4, Prolaktin.
  • Behandlung: L-Thyroxin bei Hypothyreose; Dopaminagonisten (z. B. Bromocriptin) normalisieren in bis zu 70 % der Fälle den Zyklus (PubMed 2006).

3. Endometriose

Bei Endometriose wachsen Gebärmutterschleimhautzellen außerhalb der Gebärmutter und führen zu schmerzhaften Verwachsungen.

  • Diagnose: Laparoskopie mit histologischer Sicherung.
  • Therapie: Minimal-invasive Resektion steigert die Schwangerschaftsrate um 20–30 % (WHO 2013).

4. Tubenfaktor

Verwachsungen oder Verengungen der Eileiter, oft Folge von Infektionen, verhindern den Transport von Ei und Embryo.

  • Diagnose: Hysterosalpingografie (Sensitivität 65–95 %) (Studie 2012).
  • Therapie: Hydrotubation oder tubenreparative Eingriffe mit 40–60 % Wiederherstellung; bei hochgradigem Verschluss bleibt IVF oft erste Wahl.

5. Uterusanomalien und Myome

Fehlbildungen (z. B. Uterussepten) und Myome können die Einnistung erschweren.

  • Diagnose: 3D-Ultraschall, Hysteroskopie.
  • Therapie: Hysteroskopische Resektion erhöht die Lebendgeburtenrate um 30–40 % (RCOG Nr. 24).

6. Genetische und immunologische Faktoren

Balancierte Chromosomenanomalien und Antiphospholipid-Antikörper können die Implantation verhindern.

  • Diagnose: Karyotypisierung, Autoantikörper-Screening.
  • Therapie: Niedrig dosiertes Heparin plus Aspirin steigert die Implantationsrate bei APS (Cochrane Review).

7. Idiopathische Infertilität

Trotz umfassender Abklärung bleibt in bis zu 15 % der Fälle keine Ursache. IUI (10–15 % Erfolg pro Zyklus) oder IVF (30–35 % Erfolg pro Zyklus) bieten hier die besten Chancen.

8. Männlicher Faktor

Bei etwa 40 % der Paare trägt der Mann zur Infertilität bei.

  • Spermiogramm (WHO 2021): über 15 Mio/ml, Motilität über 40 %, Morphologie über 4 % (WHO 2021).

Diagnostische Schritte

  1. Anamnese und Zyklusprotokoll (Zykluslänge, Symptome, Lebensstil)
  2. Hormonprofil (Zyklustag 2–5: FSH, LH, AMH, TSH, Prolaktin, Estradiol)
  3. Transvaginaler Ultraschall (Antralfollikel, Myome, Zysten)
  4. Hysterosalpingografie (Eileiterdurchgängigkeit)
  5. Laparoskopie bei Verdacht auf Endometriose oder Verwachsungen
  6. Genetische Analyse bei wiederholten Fehlgeburten

Erfolgschancen nach Alter

Das Deutsche IVF-Register (D·I·R) verzeichnet 2023 pro Embryotransfer:

  • weniger als 35 Jahre: 30 % Lebendgeburtenrate
  • 35–39 Jahre: 20 %
  • 40 Jahre und älter: 10 %

Assistierte Verfahren: IUI vs. IVF

IUI: 10–15 % Erfolg pro Zyklus; Kosten ca. 300–500 €
IVF: 25–35 % Lebendgeburtenrate pro Zyklus; Kosten ca. 3.000–5.000 €
Quelle: ESHRE ART-Guidelines

Abklärungszeitraum

– Frauen ab 35 Jahren: Empfehlung nach 6 Monaten
– Frauen unter 35 Jahren: Empfehlung nach 12 Monaten
Quelle: ESHRE 2015

Praxis-Checkliste

  • Zyklusdaten dokumentieren (Temperatur, Zervixschleim, Ovulationssymptome)
  • Medizinische Befunde und Medikamentenliste bereithalten
  • Termine für Ultraschall und HSG vereinbaren
  • Krankenkassen-Erstattung prüfen

Lebensstil und Ernährung

Ein BMI von 20–24 kg/m² und eine mediterrane Ernährung fördern die Fruchtbarkeit.

  • 400 µg Folsäure pro Tag und 1 g Omega-3-Fettsäuren (Studie 2016)
  • 150 Minuten moderates Ausdauertraining pro Woche
  • Verzicht auf Transfette und stark verarbeitete Lebensmittel

Umweltfaktoren und Toxine

Endokrine Disruptoren wie BPA und Phthalate beeinträchtigen die Eizellqualität.

  • Glas- oder Edelstahlbehälter statt Plastik
  • Bio-Lebensmittel zur Reduktion von Pestiziden
  • Gefiltertes Trinkwasser zum Schutz vor PCB und Schwermetallen (EFSA 2024)

Fazit

Weibliche Infertilität ist vielschichtig. Eine strukturierte Diagnostik, gezielte Therapien und Anpassungen im Lebensstil steigern deine Chancen auf eine erfolgreiche Schwangerschaft deutlich. Arbeite eng mit deinem Kinderwunschzentrum zusammen und folge evidenzbasierten Leitlinien auf deinem Weg zum Wunschkind.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)