Eine Refertilisierung macht eine zuvor durchgeführte Sterilisation rückgängig und eröffnet damit vielen Frauen eine neue Chance auf eine natürliche Schwangerschaft.
Bist du eine gute Kandidatin?
Diese Kriterien sprechen für hohe Erfolgsaussichten:
- Anti-Müller-Hormon (AMH) ≥ 1 ng/ml
- Tubenrestlänge ≥ 4 cm
- Alter unter 35 Jahren
- BMI 20 – 30
- Sterilisation mittels Clips, Ringen oder kurzer Koagulation
Typische Gründe für eine Refertilisierung
- Neue Partnerschaft: Wunsch nach einem gemeinsamen Kind und biologischer Verbundenheit
- Geänderte Lebensziele: Stabilere Finanzen, abgeschlossene Ausbildung oder neu gewonnene Work-Life-Balance
- Familiäre Ereignisse: Verlust eines Kindes, Ein-Kind-Politik im Ausland oder Wunsch, Geschwistern ein Spielkamerad zu schenken
- Krisenentscheidungen revidieren: Sterilisation erfolgte in Stress- oder Krankheitssituation und wird heute bereut
- Kulturelle oder religiöse Gründe: Neu definierte Wertvorstellungen zur Familiengröße
Erfolgsfaktoren & Altersklassen
Laut Stellungnahme der American Society for Reproductive Medicine (ASRM 2021) werden je nach Alter folgende Schwangerschaftsraten erreicht:
- < 30 Jahre – 75 %
- 30 – 34 Jahre – 65 %
- 35 – 39 Jahre – 45 %
- ≥ 40 Jahre – 20 %
Wesentliche Erfolgsfaktoren sind Tubenlänge, Fimbrien-Intaktheit und gute Spermienparameter.
Voruntersuchungen – Schritt für Schritt
- Bluttests (Zyklustag 3): AMH, FSH, LH, Östradiol
- HyCoSy / HSG (Zyklustag 7 – 10): Klärt, ob die Eileiter noch teilweise offen sind
- Spermiogramm des Partners: Referenzwerte nach WHO 2021
- Anästhesie-Vorgespräch und OP-Freigabe
Ablauf der Operation
Der ideale Zeitpunkt liegt 2 – 3 Tage nach der letzten Periode. Unter Vollnarkose erfolgt eine laparoskopische Re-Anastomose:
- Mini-Schnitte im Unterbauch, Einführung einer 4-mm-Kamera
- Freipräparation der beiden Tubenstümpfe
- Naht unter 30-facher Vergrößerung mit ultrafeinem 6-0-Material (Schleimhaut, Muskelschicht, Serosa getrennt)
- Durchgängigkeitstest mit Methylenblau
- Robotische Assistenz halbiert laut Cochrane Review 2023 die Nahtzeit und verbessert die Präzision
In spezialisierten Zentren dauert der Eingriff 60 – 90 Minuten.
Nachsorge & Warnsignale
- Entlassung meist am Folgetag, Arbeitsfähigkeit nach einer Woche
- Kontroll-HSG nach 3 Monaten
- Schwangerschaftsversuch ab Zyklus 4
Sofortarztbesuch bei einseitigen Unterbauchschmerzen, Schulterschmerz plus Schwindel oder Schmierblutung – mögliche Zeichen einer Eileiterschwangerschaft.
Partnerfertilität nicht vergessen
Etwa 30 % der Kinderwunsch-Probleme liegen beim Mann. Optimale Spermienqualität erfordert Rauchstopp, moderaten Alkoholkonsum, ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung.
Gesamterfolg & Risiken
Durchschnittliche Schwangerschaftsrate: 65 – 74 %. Lebendgeburten: 40 – 45 %. Risiko einer Eileiterschwangerschaft: 4 – 8 %. Allgemeine OP-Risiken (Blutung, Infektion) sind selten.
Dein persönlicher Fertilitäts-Boost
- Folsäure 400 µg/Tag ab 4 Wochen vor OP
- BMI 20 – 25 halten
- Drei Monate Nikotin-Pause
- 150 Minuten moderater Sport pro Woche
Wenn die Rekonstruktion nicht möglich ist
- IVF: Befruchtung außerhalb des Körpers, Tubenstatus egal
- ICSI: Einzelnes Spermium wird direkt in die Eizelle injiziert
- Eizellspende: Legal in Spanien & Tschechien; Option bei geringer Eizellreserve
- Kryokonservierung: Embryonen einfrieren für spätere Transfers
Kostenüberblick
Refertilisierung: 3 000 – 6 000 €. IVF-Zyklus: 4 000 – 8 000 €. Gesetzliche Kassen bezuschussen IVF bis 50 % bei erfüllten Alters- und Ehebedingungen; private Versicherungen erstatten teils vollständig.
Die richtige Klinik finden
Wichtige Fragen im Erstgespräch:
- Wie viele Re-Anastomosen pro Jahr?
- Eigene Schwangerschafts- und Eileiterschwangerschaftsrate?
- OP-Mikroskop ≥ 20-fach?
- Robotische Assistenz verfügbar?
- Methylenblau-Test Standard?
High-Tech-Ausblick
Europaweit arbeiten Teams an 3-D-gedruckten Tuben-Scaffolds, die sich in sechs Monaten resorbieren, Epithelwachstum stimulieren und so einen fehlenden Tubenabschnitt ersetzen könnten. Das EU-Projekt „NanoRepair-Fallop“ entwickelt nanobeschichtete Stents, die im Eileiter platziert werden, Narbenbildung hemmen und die Beweglichkeit der Flimmerhärchen erhalten. Parallel erforscht ein Konsortium in Heidelberg bioaktive Hydrogel-Injektionen, die mikroverletzte Tubenwände versiegeln und gleichzeitig Wachstumsfaktoren freisetzen. Erste Phase-I-Studien für Scaffolds und Stents starten 2026; die Hydrogel-Technik soll 2027 in die klinische Prüfung gehen.
Fazit
Eine Refertilisierung bietet vor allem jungen Frauen mit schonender Erst-OP realistische Chancen auf eine natürliche Schwangerschaft. Wo das nicht möglich ist, bleiben IVF oder ICSI bewährte Alternativen – und kommende High-Tech-Lösungen könnten die Erfolgsaussichten weiter erhöhen.

