Refertilisierung nach Sterilisation: Wie Frauen nach einer Tubenligatur doch noch schwanger werden können

Profilbild des Autors
Zappelphilipp Marx
Mikrochirurgische Rückverbindung der Eileiter

Eine Refertilisierung macht eine zuvor durchgeführte Sterilisation rückgängig und eröffnet damit vielen Frauen eine neue Chance auf eine natürliche Schwangerschaft.

Bist du eine gute Kandidatin?

Diese Kriterien sprechen für hohe Erfolgsaussichten:

  • Anti-Müller-Hormon (AMH) ≥ 1 ng/ml
  • Tubenrestlänge ≥ 4 cm
  • Alter unter 35 Jahren
  • BMI 20 – 30
  • Sterilisation mittels Clips, Ringen oder kurzer Koagulation

Typische Gründe für eine Refertilisierung

  • Neue Partnerschaft: Wunsch nach einem gemeinsamen Kind und biologischer Verbundenheit
  • Geänderte Lebensziele: Stabilere Finanzen, abgeschlossene Ausbildung oder neu gewonnene Work-Life-Balance
  • Familiäre Ereignisse: Verlust eines Kindes, Ein-Kind-Politik im Ausland oder Wunsch, Geschwistern ein Spielkamerad zu schenken
  • Krisenentscheidungen revidieren: Sterilisation erfolgte in Stress- oder Krankheitssituation und wird heute bereut
  • Kulturelle oder religiöse Gründe: Neu definierte Wertvorstellungen zur Familiengröße

Erfolgsfaktoren & Altersklassen

Laut Stellungnahme der American Society for Reproductive Medicine (ASRM 2021) werden je nach Alter folgende Schwangerschaftsraten erreicht:

  • < 30 Jahre – 75 %
  • 30 – 34 Jahre – 65 %
  • 35 – 39 Jahre – 45 %
  • ≥ 40 Jahre – 20 %

Wesentliche Erfolgsfaktoren sind Tubenlänge, Fimbrien-Intaktheit und gute Spermienparameter.

Voruntersuchungen – Schritt für Schritt

  1. Bluttests (Zyklustag 3): AMH, FSH, LH, Östradiol
  2. HyCoSy / HSG (Zyklustag 7 – 10): Klärt, ob die Eileiter noch teilweise offen sind
  3. Spermiogramm des Partners: Referenzwerte nach WHO 2021
  4. Anästhesie-Vorgespräch und OP-Freigabe

Ablauf der Operation

Der ideale Zeitpunkt liegt 2 – 3 Tage nach der letzten Periode. Unter Vollnarkose erfolgt eine laparoskopische Re-Anastomose:

  • Mini-Schnitte im Unterbauch, Einführung einer 4-mm-Kamera
  • Freipräparation der beiden Tubenstümpfe
  • Naht unter 30-facher Vergrößerung mit ultrafeinem 6-0-Material (Schleimhaut, Muskelschicht, Serosa getrennt)
  • Durchgängigkeitstest mit Methylenblau
  • Robotische Assistenz halbiert laut Cochrane Review 2023 die Nahtzeit und verbessert die Präzision

In spezialisierten Zentren dauert der Eingriff 60 – 90 Minuten.

Nachsorge & Warnsignale

  • Entlassung meist am Folgetag, Arbeitsfähigkeit nach einer Woche
  • Kontroll-HSG nach 3 Monaten
  • Schwangerschaftsversuch ab Zyklus 4

Sofortarztbesuch bei einseitigen Unterbauchschmerzen, Schulterschmerz plus Schwindel oder Schmierblutung – mögliche Zeichen einer Eileiterschwangerschaft.

Partnerfertilität nicht vergessen

Etwa 30 % der Kinderwunsch-Probleme liegen beim Mann. Optimale Spermienqualität erfordert Rauchstopp, moderaten Alkoholkonsum, ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung.

Gesamterfolg & Risiken

Durchschnittliche Schwangerschaftsrate: 65 – 74 %. Lebendgeburten: 40 – 45 %. Risiko einer Eileiterschwangerschaft: 4 – 8 %. Allgemeine OP-Risiken (Blutung, Infektion) sind selten.

Dein persönlicher Fertilitäts-Boost

  • Folsäure 400 µg/Tag ab 4 Wochen vor OP
  • BMI 20 – 25 halten
  • Drei Monate Nikotin-Pause
  • 150 Minuten moderater Sport pro Woche

Wenn die Rekonstruktion nicht möglich ist

  • IVF: Befruchtung außerhalb des Körpers, Tubenstatus egal
  • ICSI: Einzelnes Spermium wird direkt in die Eizelle injiziert
  • Eizellspende: Legal in Spanien & Tschechien; Option bei geringer Eizellreserve
  • Kryokonservierung: Embryonen einfrieren für spätere Transfers

Kostenüberblick

Refertilisierung: 3 000 – 6 000 €. IVF-Zyklus: 4 000 – 8 000 €. Gesetzliche Kassen bezuschussen IVF bis 50 % bei erfüllten Alters- und Ehebedingungen; private Versicherungen erstatten teils vollständig.

Die richtige Klinik finden

Wichtige Fragen im Erstgespräch:

  • Wie viele Re-Anastomosen pro Jahr?
  • Eigene Schwangerschafts- und Eileiterschwangerschaftsrate?
  • OP-Mikroskop ≥ 20-fach?
  • Robotische Assistenz verfügbar?
  • Methylenblau-Test Standard?

High-Tech-Ausblick

Europaweit arbeiten Teams an 3-D-gedruckten Tuben-Scaffolds, die sich in sechs Monaten resorbieren, Epithelwachstum stimulieren und so einen fehlenden Tubenabschnitt ersetzen könnten. Das EU-Projekt „NanoRepair-Fallop“ entwickelt nanobeschichtete Stents, die im Eileiter platziert werden, Narbenbildung hemmen und die Beweglichkeit der Flimmerhärchen erhalten. Parallel erforscht ein Konsortium in Heidelberg bioaktive Hydrogel-Injektionen, die mikroverletzte Tubenwände versiegeln und gleichzeitig Wachstumsfaktoren freisetzen. Erste Phase-I-Studien für Scaffolds und Stents starten 2026; die Hydrogel-Technik soll 2027 in die klinische Prüfung gehen.

Fazit

Eine Refertilisierung bietet vor allem jungen Frauen mit schonender Erst-OP realistische Chancen auf eine natürliche Schwangerschaft. Wo das nicht möglich ist, bleiben IVF oder ICSI bewährte Alternativen – und kommende High-Tech-Lösungen könnten die Erfolgsaussichten weiter erhöhen.

Haftungsausschluss: Inhalte auf RattleStork dienen ausschließlich allgemeinen Informations- und Bildungszwecken. Sie stellen keine medizinische, rechtliche oder sonstige fachliche Beratung dar; es wird kein bestimmter Erfolg garantiert. Die Nutzung der Informationen erfolgt auf eigene Gefahr. Einzelheiten finden Sie in unserem vollständigen Haftungsausschluss.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Bei der Refertilisierung werden die durchtrennten oder verödeten Eileiterenden mikrochirurgisch wieder verbunden, um die natürliche Tubendurchgängigkeit und damit die Chance auf eine Schwangerschaft wiederherzustellen.

Kandidatinnen sollten idealerweise jünger als 35 Jahre sein, einen Tubenrest ≥ 4 cm und intakte Fimbrien haben sowie eine Sterilisation mit Clips oder kurzer Koagulation.

Die Schwangerschaftsraten liegen altersabhängig bei 65–75 % unter 35 Jahren und sinken auf etwa 20 % über 40 Jahren (ASRM 2021).

Am besten 2–3 Tage nach dem Ende der letzten Regelblutung, um die Durchblutung günstig zu beeinflussen und Endometrioseherde sichtbar zu machen.

Über 3–4 kleine Schnitte führt die Chirurgin eine Mikrochirurgie unter 30-facher Vergrößerung durch, näht die Eileiterenden schichtweise und prüft die Durchgängigkeit mit Methylenblau.

Mögliche Komplikationen sind Blutung, Infektion, Narbenadhäsionen und ein erhöhtes Risiko für Eileiterschwangerschaft (4–8 %).

In der Regel 7–10 Tage Schonung, Kontrolle der HSG nach 3 Monaten und ab Zyklus 4 vorsichtiger Schwangerschaftsversuch.

Leichte Bewegung nach einer Woche, volles Training frühestens nach sechs Wochen.

Die Zuzahlung liegt zwischen 3.000–6.000 EUR; gesetzliche Kassen übernehmen in der Regel nicht.

Tubendurchgängigkeit ist nach der HSG im 3. Monat nachweisbar, Schwangerschaften treten zu 50 % innerhalb des ersten Jahres ein.

IVF oder ICSI umgeht die Eileiter komplett; auch Eizellspende und Adoption sind mögliche Wege zum Wunschkind.

Achte auf Fallzahlen zur tubalen Re-Anastomose, Hysterosalpingographie-Erfolg und renommierte Fachgesellschafts-Zertifikate.

Ein AMH ≥ 1 ng/ml signalisiert ausreichend Eizellreserve und korreliert mit höheren Lebendgeburtenraten nach Refertilisierung.

Die HSG ist eine Kontrastmittel-Röntgenuntersuchung zur Darstellung der Eileiterdurchgängigkeit vor oder nach der Operation.

Moderne Ansätze wie 3-D-Scaffolds oder Nano-Stents eignen sich für komplexe Fälle mit fehlenden Tubensegmenten, erste Studien starten 2026.