Die Fruchtbarkeit verändert sich schrittweise: Ab Anfang 30 wird es messbar, ab 35 beschleunigt, ab 40 deutlich. Das ist keine Panik-Botschaft, sondern eine Einladung, rechtzeitig Klarheit zu gewinnen. Wenn du weißt, wie groß deine Eizellreserve ist, wie die Qualität mit dem Alter zusammenhängt und welche Optionen realistisch sind, triffst du bessere Entscheidungen – ob spontane Schwangerschaft, optimiertes Timing oder Social Freezing.
Für belastbare Orientierung empfehlen wir Leitlinien und Datenbanken wie NICE: Fertility problems, NHS: Infertility, die CDC ART-Statistiken sowie Positionspapiere von ESHRE und WHO.
Eizellreserve (AMH & AFC) – dein biologisches „Sparkonto“
Mit der Geburt stehen die Follikel fest; im Lauf des Lebens nimmt ihre Zahl ab. Zwei Messgrößen geben dir heute einen guten Überblick über die verbleibende Reserve:
- AMH (Anti-Müller-Hormon): Blutwert, der die Größe des aktiven Follikelpools widerspiegelt. Niedrige AMH-Werte sprechen für eine kleinere Reserve, hohe Werte für eine größere.
- AFC (Antral-Follikel-Count): Ultraschallzählung der kleinen Follikel zu Zyklusbeginn; gemeinsam mit AMH aussagekräftig für die Planung.
| Messgröße | Was sie zeigt | Typische Anwendung |
|---|---|---|
| AMH | Größe des Follikelpools | Screening, Verlaufskontrolle, Stimulationsplanung |
| AFC | Anzahl sichtbarer Antral-Follikel | Zyklusstart-Ultraschall, Reserveabschätzung |
| FSH (Tag 2–5) | Hypophysensteuerung | Erhöht = Hinweis auf reduzierte Reserve |
Interpretationen gehören in erfahrene Hände. NICE empfiehlt strukturierte Abklärungen, bevor Therapieentscheidungen fallen.
Alter & Eizellqualität: Was im Eierstock passiert
- Chromosomenverteilung: Mit zunehmendem Alter steigen Aneuploidien, was die Fehlgeburtsrate erhöht und die Implantation erschweren kann.
- Mitochondrien & Energie: Eizellen älterer Frauen haben oft weniger „Energie-Reserven“, was frühe Embryostadien beeinflusst.
- Hormonelle Dynamik: Zyklusphasen können sich verkürzen; das „Fenster“ für eine Einnistung wird kleiner.
- Gesamteffekt: Geringere Reserve und geringere Eizellqualität erklären, warum ab Mitte/Ende 30 oft zusätzliche Unterstützung sinnvoll wird.
Zahlen & Erfolgsraten – realistische Erwartungen
Natürliche Chance pro Zyklus: grob 25–30 % unter 30, 10–15 % mit 35 und häufig < 5 % ab 40. Diese Spannen variieren je nach Zyklusregularität, Partnersamen und Vorerkrankungen.
Fehlgeburtsrisiko: nimmt altersbedingt zu (Aneuploidien). Eine individuelle Beratung ist sinnvoll, vor allem nach wiederholten Fehlgeburten.
IVF/ICSI: Altersabhängige Erfolgsraten siehst du in nationalen Registern; gute Überblicksdaten liefert der CDC ART National Summary samt Success Estimator.
Eizellqualität stärken – die wirksamen Hebel
- Nichtrauchen: Tabak beschleunigt ovarielles Altern; ein Rauchstopp lohnt sich sofort.
- Gewicht & Stoffwechsel: Ziel: stabiler BMI im Normalbereich, gute Insulinsensitivität.
- Alkohol & Umwelt: Hochkonsum meiden; Kontakt zu endokrinen Disruptoren (BPA/Weichmacher) reduzieren.
- Schlaf & Schichtarbeit: Konstante Schlafzeiten verbessern die Hormonbalance.
- Bewegung & Stressmanagement: moderates Training, Atem-/Entspannungstechniken.
- Partner-Check: Ein Spermiogramm klärt, ob männliche Faktoren mitwirken.
Leitlinien betonen Lebensstilinterventionen als Grundlage – Therapieoptionen bauen darauf auf (siehe NICE, NHS).
Fruchtbarkeit testen – AMH, AFC & Zyklus-Tracking
- AMH-Bluttest: Reservemarkierung; ab frühen 30ern als Basis sinnvoll, dann periodisch wiederholen.
- AFC-Ultraschall: Zählung der Antral-Follikel zu Zyklusbeginn; zusammen mit AMH sehr hilfreich.
- Zyklus-Tracking: LH-Urin-Tests, Basaltemperatur, Zervixschleim oder Wearables, um das fertile Fenster zu treffen.
- Zusatzdiagnostik je nach Befund: Schilddrüse, Prolaktin, Insulinresistenz, Vitamin-D, Gerinnung; bei Verdacht Endometriose-Abklärung.
Orientierung: Unter 35 suchst du bei ausbleibender Schwangerschaft nach 12 Monaten ärztlichen Rat, ab 35 nach 6 Monaten (Empfehlung u. a. NHS).
Social Freezing – Ablauf, Chancen & Kosten
Ablauf
- 10–12 Tage Stimulation mit täglichen Injektionen
- Kontrollen per Ultraschall und Hormonwerten
- Follikelpunktion in Kurznarkose (≈ 15 Minuten)
- Vitrifikation bei −196 °C
Erfolgschancen
Je jünger die Eizellen beim Einfrieren, desto höher die spätere Chance pro Eizelle. Unter 35 werden oft Zielkorridore von ca. 12–20 Eizellen diskutiert; mit steigendem Alter sinkt die Erfolgswahrscheinlichkeit pro Eizelle. Ethische/medizinische Aspekte: ESHRE-Guidance.
Kosten
- Stimulationszyklus: ca. 3 000–4 500 €
- Lagerung pro Jahr: ca. 200–300 €
- Kostenerstattung meist nur bei medizinischer Indikation
Zur Einordnung von Erfolgsraten lohnt ein Blick in nationale Register, z. B. die CDC-Daten.
Vorerkrankungen & Risiken – wann genauer hinschauen
Faktoren, die eine Rolle spielen können: Endometriose (Verklebungen, Schmerzen), PCOS (ovulatorische Störungen, Insulinresistenz), Schilddrüsenfunktionsstörungen, Hyperprolaktinämie, Gerinnungsstörungen (z. B. Faktor-V-Leiden). Bei Zyklusunregelmäßigkeiten, starken Schmerzen, wiederholten Fehlgeburten oder > 6–12 Monaten erfolglosem Kinderwunsch lohnt die Vorstellung in einer Kinderwunschpraxis.
Dein Fahrplan ab heute
- Basischeck: AMH & AFC in den nächsten Wochen bestimmen lassen.
- Timing schärfen: 2–3 Zyklen LH-Tests + Basaltemperatur führen.
- Lebensstil hebeln: Rauchstopp, Schlafrhythmus, Bewegung, Ernährung, Alkohol reduzieren.
- Optionen klären: Spontanversuch vs. IUI/IVF, ggf. Social Freezing; individuelle Beratung vereinbaren.
- Partnerfaktor prüfen: Spermiogramm einplanen, wenn es passt.
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Fazit
Du kannst die Zeit nicht anhalten – aber du kannst sie nutzen. Wer Reserve und Risiken kennt, das Timing optimiert und Optionen wie Social Freezing oder unterstützte Reproduktion nüchtern bewertet, verbessert die Chancen messbar. Für Orientierung und Planung: WHO, NICE, NHS, CDC ART, ESHRE.

